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Das Leben des Heiligen Tsongkhapa Blo-bzaṅ-grags-pa (1357–1419)

Tsongkhapa

Die Vita (Hagiografie) Je Tsongkhapas »Quellort allen Glückes«
verfasst vom mongolischen Lama
Čaqar dge-bśes Blo-bzaṅ chul-khrims (1740–1810)

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Übersetzung: Rudolf Kaschewsky
Asiatische Forschungen Band 32 (Auszug)

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ERSTES BUCH

in dem über seine früheren Verkörperungen berichtet wird

1. Kapitel
Einleitung

Verehrung dem großen ehrwürdigen Lama, der wesenhaft nicht verschieden ist vom alldurchdringenden Vajradhara¹. Hymnus über das Unterfangen, die Vita zu schreiben, sowie über Nutzen und Wert.

2. Kapitel
Die früheren Verkörperungen

1. Abschnitt: Vorbemerkungen

Zitat aus der Vita Dad-pa’i-’ǰug-ṅogs von mKhas-’grub-rǰe² über die Fähigkeit des Heiligen, sich bei seiner Verkörperung jeweils der Umgebung anzupassen, d.h. sich als König, Indra, Brahma usw. zu verkörpern. — Eigentlich ist dieses Unterfangen, seine zahllosen Verkörperungen zu beschreiben, unmöglich, sowohl wegen der beschränkten Fassenskraft des Menschen als auch wegen des Mangels an autoritativen Unterlagen. Dennoch will ich es wegen der damit verbundenen Segenskraft und um der Verehrung Tsongkhapas willen wagen³.

Zitat aus der »Geheimen« Vita des Heiligen, Rin-po-čhe’i sñe-ma⁴. Was sogar für die größten Gelehrten schwierig zu begreifen ist, wollen wir dennoch wenigstens bruchstückhaft zu berichten versuchen.

So will auch ich nun ein wenig von den unzähligen Verkörperungen des Heiligen in allen Äonen und Welten berichten.

2. Abschnitt: Der Bodhisattva Mahāsattva

Vor unendlich vielen Äonen, als diese »Strahl der Reinheit« genannte Welt entstand, erschien der Buddha Indraketudhvaja⁵. Um seine Lehren zu hören, kamen unzählige Bodhisattvas und an ihrer Spitze Mañjughoṣa. Indraketudhvaja lehrte, höchste Bestimmung des Bodhisattva sei es, in der unreinen Welt die harmonische Verbindung von Tantra und Śūnyatā⁶ zu lehren. Da meldete sich ein Bodhisattva, dessen Weisheit alle übertraf, und gab das feierliche Versprechen, ohne des eigenen Wohllebens zu achten, in der unreinen Welt diese Lehre zu verkünden. Da priesen ihn alle und nannten ihn »von starkem Entschluß«⁷.

Der Buddha Indraketudhvaja prophezeite, daß Mahāsattva nach Durchlaufen des Bodhisattvawandels dereinst der Buddha Siṃhanāda werde, der von blauer Farbe sei und dessen Linke die Geste des Lehrens vollziehe, die Rechte aber eine mit Nektar gefüllte Almosenschale halte, aus der ein Stūpa heraus wüchse⁸. Dessen Anblick sowie das Anhören seiner Tantra- und Śūnyatālehren bringen die Erlösung.

Dem Buddha Indraketudhvaja entspricht in unserem Zeitalter gleichsam Buddha Śākyamuni, dem Bodhisattva Mahāsattva der ehrwürdige Tsongkhapa.

3. Abschnitt: Padma’i-ṅaṅ-ldan

Da der Buddha Śākyamuni in Indien erschien, wurde auch der Heilige in Indien, und zwar als Sohn eines Brahmanen geboren. Studien von Tantra und Śūnyatā. Viele Wunschgebete. Mönchsname Padma’i-ṅaṅ-ldan⁹.

Am Anavatapta-See übergab der Nāgakönig dem Buddha Śākyamuni eine weiße Muschel¹⁰. Śākyamuni gab sie an seinen Schüler Maudgalyāyana weiter mit den Worten: Begib dich nach Tibet und hinterlege diese Muschel am ’Gog-pa-Berg. Später wird unser Padma’i-ṅaṅ-ldan dort als der Mönch Sumatikīrti erscheinen und die Lehre verkünden. Später hat dann der heilige Tsongkhapa dort das Kloster dGa’-ldan errichtet¹¹.

Als Jünger des Buddha Śākyamuni hatte er diesem eine weiße Glasperlenkette überreicht, die folgende Bedeutung hat: 101 Perlen¹², das bedeutet: seine segensreiche Wirksamkeit entwickelt sich über die Maßen gut; daß sie von weißer Farbe war, das besagt: seine Lehre ist ganz fleckenlos; Glas bedeutet: Seine Gläubigen können auch durch Schadenszufügung von seiten anderer nicht geschädigt werden; Kette bedeutet: die innere Verbundenheit sowie die Ausbreitung der Lehre. All dies geschieht durch das Gebet Tsongkhapas einerseits und den Gnadensegen¹³ des Buddha andererseits.

4. Abschnitt: Weitere Verkörperungen

Auf eine Frage des dBu-ma-pa-Lama bestätigte Mañjughoṣa: Von seinem Zusammentreffen mit dem Buddha Śākyamuni bis auf Tsongkhapa zählt man 17 Verkörperungen, davon fünf als Paṇḍita in Indien, drei als dGe-bśes in Tibet sowie als der große Übersetzer Blo-ldan-śes-rab von rṄog¹⁴. In der Verkörperung unmittelbar vor dieser (als Tsongkhapa) war er der Paṇḍita Matibhadra śrī aus dem Lande Kha-čhe-khri-stan¹⁵.

(Einschub nur in T): Zitat aus der Vita Legs-bśad-ñin-byed¹⁶: Spekulationen über die genannten Paṇḍitas in Indien. Leben des Blo-ldan-śes-rab: Er wurde als Sohn des Čhos-skyabs, des Neffen des Legs-pa’i-śes-rab von rṄog, der ihm auch Namen und Weihe verlieh, in rṄog geboren; Zusammentreffen mit dem Übersetzer von Rva, dem Übersetzer von gÑan, brCan-kha-po-čhe sowie dem Lehrer von rṄog Khyuṅ-čhos-brcon¹⁷; Aufenthalt in Indien und Kha-čhe; Rückkehr nach Tibet und rege Übersetzertätigkeit.

3. Kapitel
Prophezeiungen

1. Abschnitt: Rājādeśasūtra

Zitat aus dem Rājādeśasūtra¹⁸: Prophezeiung über den Bau des Klosters dGa’-ldan, die Übergabe der Glasperlenkette sowie eines Diadems an die beiden »Erscheinungsformen« des Buddha in Lhasa¹⁹, die in dGa’-ldan gehaltenen Gottesdienste; Erwähnung des Buddha Siṃhanāda sowie der grünen Blätter an den Säulen der J̌o-bo-Tempel.

Erklärung der Prophezeiungen, Deutung auf Tsongkhapa.

2. Abschnitt: Mañjuṣrīmūlatantra

Zitat aus dem Mañjuṣrīmūlatantra²⁰ nebst Deutung auf Tsongkhapa: Buddha Śākyamuni prophezeit Mañjuṣrī, daß er (Mañjuṣrī) »gewöhnliche«, d.h. menschliche Gestalt annehmen werde und die Lehre wiederherstellen werde, was u.a. darauf hindeutet, daß Tsongkhapa die »guten Lehren, die vorher nicht in Tibet vorhanden waren, erstmals einführe«.

3. Abschnitt: Nor-bu’i-phreṅ-ba

Zitat aus dem bKa’-gdams-pa-glegs-bam »Nor-bu’i-phreṅ-ba,«²¹, Abschnitt »Lebensgeschichte des Königssohnes dKon-mčhog-’baṅs«, nebst Deutung: Der heilige Lama wird in verschiedenen Manifestationen in Tibet (zur Besänftigung der Dämonen, als Padmasambhava.), in China, in Nepal, in mDo-smad (als der heilige Tsongkhapa) und in Indien (als Atiśa) erscheinen.
(Einschub nur in T): Zitat aus der Vita Legs-bśad-ñin-byed.

Fortsetzung des Zitates aus Nor-bu’i-phreṅ-ba.

Zitat aus dem Khu-byug-zla-ba,²² (»Mondkuckuck«) des sTag-phu bsTan-pa’i-rgyal-mchan; aus den beiden Zitaten geht ebenfalls hervor, daß Padmasambhava, Atiśa und Tsongkhapa letztlich nur einer sind!

4. Abschnitt: Weitere Schriftstellen

Lam-gco-rnam-gsum-gyi-grel des fünften Panchen-Lama, Kommentar zu einem Werk Tsongkhapas²³; Gaṇḍavyūha-sūtra²⁴; (nur in T): Vita Legs-bśad-ñin-byed²⁵; Zukunftsweissagungen der Ma-gčig-lab-sgron-me²⁶, in denen als weitere Verkörperungen Tsongkhapas der Lama Mar-pa Čhos-kyi-dbaṅ-phyug²⁷, der Paṇḍita Matibhadra aus Kha-čhe und der mCho-sna-pa Śes-rab-bzaṅ-po²⁸ genannt werden. Weitere Prophezeiungen der Ma-gčig-lab-sgron-me: Er wird der künftige siebente Buddha des Guten Zeitalters; Weissagung über seine Wirksamkeit zur Wiederherstellung der Ordensdisziplin; dieser ist von Maitreya an gerechnet der siebente, von Krakucchandra an jedoch der elfte, nämlich der Buddha Sunetra²⁹. — Interpretation dieser Prophezeiungen.

Zitat aus dem Padma-bka’i-thaṅ-yig³⁰: In einem Kloster namens dGa’-ldan wird eine Erscheinung des Vajradhara das Tor zu den Geheimtantras aufstoßen! Interpretation.

Zitat aus dem Padma-bka’-čhems³¹: Eine Verkörperung des Mañjuṣrī wird kommen und als Sumatīkirti schon in dieser Welt das Nirvāṇa erreichen und zu Maitreya gelangen.

Zitat aus dem Slob-dpon-padma’i-luṅ-bstan³²: Wiederverkörperung des Vairocana³³ in dGa’-ldan als Sumatīkirti. Interpretation. — Allgemein gilt Tsongkhapa als Verkörperung Mañjuṣrīs, rGyal-chab als Verkörperung Avalokiteśvaras und mKhas-’grub als Verkörperung Vajrapāṇis³⁴.

Zitat aus dem Padma’i-bskul-byaṅ³⁵: Prophezeiung über einen Śākya-Mönch Blo-bzaṅ, der aus dem »östlichen Gebiet nahe China« stamme. — Interpretation.

Aus einer Prophezeiung des Vajrapāṇi an den Mahāsiddha Nam-mkha’-rgyal-mchan³⁶ über dessen Schüler, deren hervorragendster der unvergleichliche Sumatīkirti werde. Für alle Wesen in Indien, China, Nepal und ganz Tibet wird er ein Führer auf dem Weg zur Erlösung. Mañjuṣrī und Sārasvatī verleihen ihm ihre Weisheit. Das Ausmaß seines Wissens könne nicht einmal er (Vajrapāṇi) ermessen. — Interpretation.

Aus der Geheimen Vita des Nam-mkha’-rgyal-mchan³⁷.

Aus dem Glegs-bam-rin-po-che (»Juwelenbuch«)³⁸.

Dazu sagt ’Brom-ston³⁹, daß Nivaraṇaskambhī⁴⁰, Samantabhadra, Avalokiteśvara, Mañjuṣrī und Vajrapāṇi einer Ansicht seien; somit ist Tsongkhapa eine Verkörperung all dieser! Da Mañjuṣrī die Verkörperung des gesamten Wissens aller Buddhas ist, ist somit Tsongkhapa auch die Verkörperung des Wissens aller Buddhas; ebenso ist er als Verkörperung Avalokiteśvaras die Verkörperung des Mitleids aller Buddhas, als Verkörperung Vajrapāṇis die Verkörperung der Kraft und Stärke aller Buddhas, usw.⁴¹.
Wenn man daher zu Tsongkhapa betet und ihm Opfer darbringt, so ist es hinsichtlich der Heilswirkung gleich wie wenn man allen Buddhas Gebete bzw. Opfer darbringt⁴².

Prophezeiung der Ma-gčig-lab-sgron-me, auf eine Frage der bSod-nams-rgyan-ma hin.

Schlußspruch: Der Heilige hatte schon früher den Schwur getan, den Wesen der unreinen Orte ein Führer zu sein, und der Wunsch Amitāyus’ und Maitreyas u.a., sich der Wesen der Grenzländer⁴³ anzunehmen, hat in ihm Erfüllung gefunden.


Fußnoten

¹ Fußnoten werden noch ergänzt …

² …

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ZWEITES BUCH

in dem berichtet wird über seine wunderbare Geburt, seine Kindheit, seinen Eintritt in den Mönchstand sowie über das Leben des Čhos-rǰe Lama.

1. Kapitel
Die Geburt des Heiligen

1. Abschnitt: Ort und Zeit der Geburt

Er wurde im Hennen-Jahre (1357) des 6. Rab-’byuṅ geboren, d.h. 2284 Jahre nach der Erleuchtung des Buddha Śākyamuni, 433 Jahre vor der Abfassung dieser Vita, die im Gelb-Henne-Jahr (Ch’ien-lung 55) verfaßt wurde¹.

Von den drei Teilgebieten Tibets West-, Zentral- und Osttibet das letztere, nämlich mDo-Khams, war sein Geburtsort, näherhin an einem Nebenarm des Flusses Coṅ.²

2. Abschnitt: Die Familie

Sein Vater war Da-ra-kha-čhe Klu-’bum-dge aus dem Stamme Mal. Da-ra-kha-čhe bedeutet »unabhängiger Mann« und leitet sich von mong. »darqan« her³.

Seine Mutter war A-čhos aus dem Stamme Sin⁴.

Die Eltern waren sehr fromm. Sie hatten sechs Kinder, von denen der Heilige das vierte war⁵. In den späteren Generationen der Familie gab es viele weise Kleriker.

3. Abschnitt: Zukunftdeutende Träume vor der Geburt

Traum des Vaters: Erscheinen eines fremden Mönches; Rezitation der Nāmasaṅgīti, ein Zeichen für die Weihe durch Mañjuṣrī⁶.

Traum der Mutter: Unter 1000 Frauen wird sie von einem Knaben und einem Mädchen ausgewählt. Sie vollzogen Waschungen an ihr, und bald stellten sich besondere Anzeichen wie Seelenfriede usw. bei ihr ein.

Traum der Nachbarn: Die Statue des J̌o-khaṅ⁷ wurde herbeigebracht; Sonne und Gestirne gingen gleichzeitig auf; Blumenregen; Himmelsmusik.

Traum der Mutter: Umgeben von einer festlichen Menge sieht sie vom Himmel einen riesigen goldenen Buddha auf sich zukommen, der immer kleiner wird und schließlich in sie eingeht. Himmlische Musik; Glückwünsche; Geschenke.

Alles deutet darauf bin, daß der Heilige eine Inkarnation des Bodhisattva Avalokiteśvara⁸ wird.

Traum des Vaters: Ein goldener leuchtender Vajra geht in die Mutter ein. Das ist ein Zeichen dafür, daß der Heilige eine Inkarnation Vajrapāṇis wird⁹. Traum der Mutter: Als viele Menschen sich in froher Erwartung versammelt hatten, kam aus einer Öffnung ihrer Brust der vorher in sie eingegangene Buddha heraus; Waschung mit Weihwasser¹⁰.

4. Abschnitt: Die Geburt

Am 10. Tage des 10. Monats wurde er geboren, in unvergleichbarer Schönheit und ausgestattet mit allen verheißungsvollen Kennzeichen: Nase, Ohrläppchen, Finger und Zehen waren überlang, seine Hautfarbe war reines Weiß, seine Sinnesorgane von hervorragendem Unterscheidungsvermögen¹¹. [Zusatz (nur in T): Hinweis auf die Bedeutung der einzelnen Körpermerkmale].

Der berühmte und gelehrte Čhos-rǰe-Lama¹² zitierte Dhāraṇīs und gab dem Kind Pillen von Mañjuṣrī als Schutzmittel, Amulette und eine Figur des Buddha Yamāntaka¹³. Er begründete dies mit einer an ihn ergangenen diesbezüglichen Weisung von seiten Yamāntakas.

5. Abschnitt: Die weitere Geschichte der Geburtsstätte

An der Stelle, an der das Nabelblut des Heiligen zur Erde getropft war, wuchs ein Sandelholzbaum, auf dessen Blättern Bilder Siṃhadhvanis¹⁴, aber auch Mañjuṣrī, Yamāntakas und Mahākālas erschienen, ferner auch die mystische Formel Arapacana¹⁵.

Später bat der Heilige in einem Brief von dBus aus seine Mutter, an dieser Stelle einen Stūpa zu errichten, was auch geschah. Auch sandte er ein Bild des Siṃhadhvani mit. [Das war in seinem 22. Lebensjahr (Hung-wu 12) (1380)].

Im Jahre »Weiß-Affe«, d.i. Chia-ch’ing 40(!)¹⁶, errichtete der Eremit brCon-’grus-rgya-mcho dort ein Kloster. 18 Jahre später errichtete er dort noch eine Reliquienstätte, wo besonders Maitreya verehrt wurde¹⁷.

Im Jahre »Schwarz-Schaf« (Wan-li 12) kam auf Einladung von Altan Qayans Nachfahren der 3. Dalai Lama bSod-nams-rgya-mcho in die Mongolei und machte auf der Reise in diesem Kloster halt. Er gab einige bauliche Ergänzungen in Auftrag. brCon-’grus-rgya-mcho sowie andere Lamas und Fürsten nahmen den Auftrag an. So ist das Kloster sKu-’bum entstanden¹⁸.

Der Name sKu-’bum rührt von der Zahl der auf den Blättern des Sandelholzbaumes erschienenen Buddhabilder her. Der Klosterbau war im Jahre »Schwarz-Schaf« vollendet. d.h. 227 Jahre nach Tsongkhapas Geburt.

Der vierte Dalai Lama Yon-tan-rgya-mcho hat auf seiner Reise vom Ordos-Gebiet nach Tibet das Kloster im Jahre »Schwarz-Hase« (1603)¹⁹ besucht und weiter ausbauen lassen, ferner hat er den Čhos-rǰe ’Od-zer als 1. Abt eingesetzt. Er hat die Anlage besonders als Stätte des Studiums gefördert. Das Kloster wurde von nun an immer mehr das Ziel von Pilgern.

Außerdem wurde ein silberner Stūpa errichtet, der mit Reliquien der Buddhas Dīpaṃkara und Śākyamuni sowie des lČaṅ-skya und des A-kya-Qutuytu ausgestattet wurde. Bilder Tsongkhapas, die er selbst seiner Mutter geschickt hatte, fanden in einer großen Mañjuṣrīstatue bzw. im Obergeschoß Aufstellung.

[Einschub in T: Über die Errichtung weiterer Stūpas. Zuerst wurde (von seiner Mutter u.a.) der Bilder-Stūpa errichtet, z.Z. seines Studiums der sog. Palast-Stūpa, bei seinem Tod der Nirvāṇa-Stūpa. dann nach der Auseinandersetzung zwischen China und der Mongolei der »Stūpa des Friedensschlusses«²⁰.

Später, als der Dalai Lama bSod-nams-rgya-mcho gekommen war: der Stūpa der Erleuchtung. Nach dem »Wasser-Pferd«-Jahr des 11. Rab-’byuṅ (1642), als der Erdeni qung tayiǰi auf seiner Reise von den Qalqa nach dBus in diesem Stūpa haltmachte: Wunderstūpa. Im »Wasser-Schaf«-Jahr des 12. Rab-’byuṅ weitere Erneuerungen (1691)²¹. 1708 Erneuerung des Gotteshauses; 1711 Errichtung eines vergoldeten chinesischen Daches durch den ǰun lan Erdeni ǰunang; 1712 Bau eines besonders hervorragenden Stupas durch den Čin laṅ bayatur tayiǰi²².

1713 steigt Blo-bzaṅ-’ǰam-dbvaṅs als 19. Abt auf den Thron. Von 1716-1720 weilt der 7. Dalai Lama in sKu-’bum.

1717 wird der Ačitu Nom-un qayan 20. Abt von sKu-’bum.

1719 Große sMon-lam-Feier.

1720 Abreise des Dalai Lama nach Zentraltibet]²³.

2. Kapitel
Kindheit und Jugend

1. Abschnitt: Die Kindheit

Die üblichen Unarten kleiner Kinder fehlen bei dem Heiligen völlig. Freundlich und mitleidvoll verkehrt er mit seiner Umgebung. Durch Vermittlung von Sarasvatī und Mañjughoṣa nimmt er zu an Weisheit und Frömmigkeit.

Im dritten Lebensjahr erhält er die dGe-sñen-Weihe von dem Karma-pa Rol-pa’i-rdo-rǰe, der von dem mongolischen Kaiser Toyan temür eingeladen worden war²⁴. Er erhält dabei den Namen Kun-dga’-sñiṅ-po²⁵. Prophezeiung: Er wird ein zweiter Buddha.

Die Eltern vertrauen dem Čhos-rǰe Lama das Kind nunmehr ganz an²⁶. Bei ihm lernt er vom vierten Lebensjahr an, und zwar zunächst durch eifriges Zuhören und Nachahmen Lesen und Schreiben.

Initiation bei Cakrasaṃvara, Hevajra und Vajrapāṇi; Annahme des mystischen Namens Don-yod-rdo-rǰe²⁷. Er lernt Dhāraṇīs und Maṇḍalas des Saṃvara, Hevajra, Vairocana und Yamāntaka. Im Traum erschienen ihm Vajrapāṇi und J̌o-bo Atiśa, deren Lehren die Grundlagen seiner Studien bildeten.

Wie der Reformer Atiśa, so sollte er ebenfalls der Reinen Lehre in Tibet zu neuem Aufschwung verhelfen. Vajrapāṇi und Atiśa erscheinen erneut²⁸.

2. Abschnitt: Die dGe-chul-Weihe

Hymne auf die Weihe.

Mit sieben Jahren erhält er von Don-grub-rin-čhen (als Upādhyāya) und gŽon-nu-byaṅ-čhub (als Ācārya) die dGe-chul-Weihe²⁹ sowie den Mönchsnamen Sumatikīrti. gŽon-nu-byaṅ-čhub hatte in Zentraltibet sowie in Nepal studiert, insbesondere als Schüler des berühmten gŽon-nu-seṅ-ge.

Schwerpunkte seiner Lehrverkündigung waren sowohl Tantrismus als auch Madhyamaka-System, ferner die Lehrbereiche des Yamāntaka, des Cakrasaṃvara und des Vajrapāṇi nach der mystischen Überlieferung der Siddhas Lūi-pa³⁰, Nag-po-pa³¹ und Dril-bu-pa³².

Don-grub-rin-čhen nannte ihm seine Schutzgottheiten, mit denen auch er in Verbindung stand, und umriß auch deren jeweilige Zuständigkeit: Mahācakra als Schützer gegen Hindernisse: Mañjuṣrī Arapacana als Mehrer des Wissens; Amitāyus als Gott des Lebensalters; Vaiśravaṇa als Beschaffer aller nötigen Dinge; der sechsarmige Mahākāla ab Bewahrer vor Schaden und Wunscherfüller. — Auch in der Folgezeit bis zu seiner Abreise nach Zentraltibet erfreute sich Tsongkhapa seiner steten Fürsorge, was ihm Anlaß tiefer Dankbarkeit war.

3. Kapitel
Das Leben des Čhos-rǰe-Lama

1. Abschnitt: Studienjahre

[Hymnus auf das Wirken des Čhos-rǰe-Lama].

Hymnus : In diesem Kinde liegt die ganze Essenz des Schneelandes³³.

Čhos-rǰe-don-grub-rin-čhen wurde in A-mdo geboren und trat schon früh in den Mönchsstand ein.

Im Kloster bDe-ba-čan studierte er bei bKra-śis-seṅ-ge³⁴ aus sÑe-thaṅ die Prajñāpāramitā-Lehren und die Lehren des Maitreya; dann Studium in sNar-thaṅ bei bČom-ldan-rig-ral³⁵. Bei Rig-pa’i-seṅ-ge von IDoṅ³⁶ studierte er das Pramānavarttika des Dharmakirti. Ferner Studium in Ža-lu³⁷; harte Askese und Meditation. Zu dieser Zeit weilte in Ža-lu auch der hochberühmte Bu-ston³⁸. In zahlreichen wissenschaftlichen Prüfungen bewies Don-grub seine außergewöhnliche Geisteskraft.

Der Siddha Blo-bzaṅ-grags-pa³⁹ prophezeite ihm sein Zusammentreffen mit Tsongkhapa und sagte: Gib ihm bei der Mönchsweihe diesen meinen Namen Blo-bzaṅ-grags-pa. Der Siddha brachte ihm Zauberkräfte bei und gab ihm Prophezeiungen.

Bei Ye-śes-dpal-po⁴⁰ in Ron studierte er Yamāntaka- bzw. Yajrabhairava-Lehren.

2. Abschnitt: Wirken in Osttibet

In A-mdo wurde er Abt des Klosters Śiṅ-kun⁴¹ und lehrte Sūtras und Tantras. Einem Ruf auf den Abtthron von bDe-bačan folgend, ging er kurz nach dBus; doch war der Abtthron bei seiner Ankunft bereits besetzt. Nachdem er kurz in Yab-čhos-gliṅ bei dem berühmten bSam-gtan-dpal⁴² geweilt hatte, wo er u.a. die Mahāmudrā-Lehre studierte, zog er nach A-mdo zurück.

Er errichtet in Śar-phreṅ ein Kloster.

Auf der Suche nach dem ihm prophezeiten Ort Bya-khyuṅ traf er nahe dem Ziel eine Alte mit grimmiger Miene, die sich in die Göttin Bhṛkuṭi⁴³ verwandelte. Da waren die gŽi-bdag⁴⁴ und die anderen Schadensgeister befriedet und alle Hemmnisse beseitigt. An der Stelle, wo ein mit heiligen Schriften beladener Maulesel sich niedergelegt hatte⁴⁵, errichtete er ein Kloster: es war auf einer Wiese des Nāgākönigs. Yamāntaka und Mahākāla wurden herbeigerufen. Durch Gebete und Opfer wurde es bald zu einem religiösen Mittelpunkt.

Don-grubs Lehrprogramm in Bya-khyuṅ umfaßte: Prajnāpāramitā; die Fünf Werke Maitreyas; Logik; Śāntidevas Bodhicāryāvatāra und die Tantras.

Im Traum erschien ihm Yamāntaka und erzählte ihm von Tsongkhapa.

3. Abschnitt: Trennung von Tsongkhapa

Nach langer Meditation in einer Hütte zog Tsongkhapa endlich zum Studium nach gCaṅ, ohne seinem alten Lehrer nochmals vor Augen zu treten. Aus Zorn darüber befahl Don-grub seinen Schülern, die Hütte Tsongkhapas den Abhang hinunter zu stürzen. Sie zerbrach jedoch nicht, vielmehr ging aus ihr inmitten eines fünffarbigen Regenbogens Mañjuṣrī hervor. Furchtsam versuchten die Jünger vergebens, die Hütte wieder aufzurichten. Don-grub selbst gelang es leicht. Er sagte: Das ist ein Zeichen der mystischen Verbundenheit mit Arapacana. Weil du aber deines alten Lehrers nicht gedachtest, wirst du deine Heimat A-mdo nie wieder sehen.

Aus dem Gras der Hütte errichtete man in Bya-khyuṅ einen Stūpa zu Ehren Mañjuṣrīs, von dem eine segensreiche Wirkung ausging.

4. Abschnitt: Die letzten Tage Don-grubs

Don-grub ließ Tee nach sNar-thaṅ und bDe-ba-čan bringen, um Teeopfer darbringen zu lassen. Er sagte genau den Tag voraus, an dem der Tee überreicht würde. Ebenso sagte er in einem Brief auch den neu ernannten Abt von Čhos-sdiṅs, Guru dKon-mčhog, richtig voraus⁴⁶.

Bei seinem Tode erschienen himmlische Musik und ein Blumenregen; ein Erdbeben und andere Vorzeichen entstanden. Eine Stimme erscholl vom Himmel: Er ist zu den nördlichen Tathāgatas gegangen⁴⁷.

Bei einem Stūpa, den man zu seiner Ehre errichtet hatte⁴⁸, pflegen zu bestimmten Zeiten süße Quellen und Wohlgerüche zu entstehen.

[Einschub (nur in T): In einer Vita des dGe-dpon-slob Blo-gros-rgya-mcho heißt es fälschlich, dieser sei eine Wiedergeburt des Čhos-rǰe-Lama gewesen, und er werde der letzte Buddha des Guten Zeitalters namens Mos-pa werden]⁴⁹. Schlußspruch.


Fußnoten

¹ Fußnoten werden noch ergänzt …

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DRITTES BUCH

in dem berichtet wird, wie er zum Studium auszog, wie er sich in allen Wissensbereichen, vor allem aber im Bereich der Sūtras, ausbildete, wie er eine Vision der Göttin Sārasvatī hatte und ihr anhing, sowie in Kurzfassung über das Leben Red-mda’-pas.

1. Kapitel
Die Aufnahme des Studiums

1. Abschnitt: Abreise aus der Heimat

Vorspruch; Verehrung. Über die Notwendigkeit, außer Kontemplation auch Studien zu betreiben. Die Gedanken des Heiligen über seinen Ausbildungsplan: Zuerst Studium des Madhyamaka, danach Kontemplation.

Wie beim Überqueren eines Sees ein Fachmann nötig ist, so beim Studiurn ein guter Lehrer; wie der Wind zum Treiben des Schiffes nötig ist, so beim Studium der Fleiß; usw.¹.

Entschluß des Heiligen: Ich möchte zum Studium nach Zentraltibet gehen. Gegen Ende des 16. Lebensjahres äußerte auch der Čhos-rǰe-Lama den Wunsch, ihn dorthin zu schicken, was Tsongkhapa mit großer Freude erfüllte².

Der Čhos-rǰe-Lama gab ihm die letzten Belehrungen mit auf den Weg, doch obschon er sie schriftlich fixierte, fand der Heilige — in Zentraltibet angekommen — sie nicht mehr³. Später erzählte er dem mKhas-grub davon und sagte, obwohl er den größten Teil der Belehrungen vergessen habe, seien einige Aussprüche ihm noch im Gedächtnis; dann zählte er einige der wichtigsten Werke auf, deren Studium ihm empfohlen worden sein:

I. Die fünf Werke Maitreyas⁴

(1) Abhisamayālaṅkāra, d.h. die drei Arten der Mātṛkas, die ausführliche, mittlere und verkürzte Fassung;
(2) Sūtrālaṅkāra, der den Weg der Bodhisattvas lehrt;
(3) Dharmadharmatāvibhāga;
(4) Madhyāntavibhāga;
(5) Mahāyānānuttaratantra.

II. Die sieben Werke Dharmakīrtis⁵

(1) Pramāṇavārttika;
(2) Pramāṇaviniścaya;
(3) Nyāyabindu;
(4) Hetubindu;
(5) Sambandhaparīkṣā;
(6) Vādanyāya;
(7) Saṃtānāntarasiddhi.

III. Die Madhyamakawerke Nāgārjunas⁶

In seinem 16. Lebensjahr machte er sich auf den Weg zusammen mit dem Gouverneur IDan-sa Rin-čhen-dpal, der Geschenke nach ’Bri-guṇ bringen sollte, zwei Onkeln⁷ nnd vielen anderen Reisenden. Als sie durch Čhab-mdo zogen, erschienen die 16 Sthāviras und Mahākāla; später wurden an den betreffenden Stellen Klöster errichtet, die bis heute fortbestehen⁸.

2. Abschnitt: Studium in ’Bri-guṇ

In seinem 17. Lebensjahr, im Herbst des Jahres 1373, kam er im Kloster Nags-khrod in ’Bri-guṇ-dpal an⁹.

Bei dem sPyan-sṅa Čhos-kyi-rgyal-po¹⁰ Studien des Bodhicittotpāda¹¹, [der Sechs Lehren Nāro-pas], der Mahāmudrā¹², der Vajramālā¹³ u.a. Čhos-kyi-rgyal-po schenkte ihm einen Verehrungsgegenstand, in dessen Innern sich die Göttin Vajrayoginī¹⁴ befand. Dieser Verehrungsgegenstand befindet sich noch heute in dGa’-ldan, und zwar im Wohnhaus des Byaṅ-rce-Lama¹⁵.

Er verrichtete ein Wunschgebet um eine gute Verkörperung, gute Lehre, rechtes Studium sowie das Heil der Wesen¹⁶. Er ging zur Geistlichen Akademie¹⁷ von bDe-ba-čan¹⁸, ließ sich aber alsbald in der dortigen Prajñāpāramitā-Fakultät¹⁹ von Kommilitonen überreden, in Chal-guṅ-than²⁰ bei dKon-mčhog-skyabs Medizin zu studieren²¹. Obwohl er darin erstaunliches Wissen erlangte, hat er später nie selbst Medizin gelehrt — ein Beweis dafür, daß wir, seine Jünger, uns nicht mit Medizin zu befassen brauchen.

Schon nach kurzer Zeit kehrte er nach bDe-ba-čan zurück. Studium bei bKra-śis-seṅ-ge²² aus sÑe-thaṅ und dem Ordinarius²³ dGe-skoṅs-pa²⁴. Unter Yon-tan-rgya-mcho²⁵ imd U-rgyan²⁶ Studium des Abhisamayālaṃkāra²⁷ und des Kommentares dazu, wobei er auch den Kommentar des ’J̌am-skya²⁸ benutzte.

Bei dem Mahākalyāṇamitra ’J̌am-dbyans-riṅ-čhen-pa²⁹ Studium des Sūtrālaṃkāra und dreier weiterer Lehren Maitreyas³⁰. Dieses bDe-ba-čan heißt auch Ra-stod.

Bei dem ehrwürdigen Lama bSod-nams-rgyal-mchan, einer Verkörperung Mañjuṣrīs, »der zur Zierde des Hauptes des Geschlechtes des Weltherrschers und großen Königs Phag-mo-gru geworden war«, und der in dṄul-čhu-čhos-rjon³¹ weilte, Weihe des Arapacana Mañjuṣrī, Initiation des Maṇḍala Cakasaṃvaras nach der Tradition des Dril-bu-pa, sowie Weihe des Gur Mahākāla³². Der Lama setzte ihm seine eigene Panditmütze aufs Haupt und sagte: »Da du der Lama bist, der die Lehre aus der Tradition Bu-stons bewahren soll, will ich dir das Lehrsystem Bu-stons übertragen«³³.

So studierte er zwei Jahre lang Prajñāpāramitā³⁴.

Im 19. Lebensjahr unternahm er Studienreisen nach verschiedenen Klöstern wie gSaṅ-phu³⁵, bDe-ba-čan. Erklärung des Begriffs Studienreise³⁶. Studium bei den Lamas der betreffenden Klöster; Teilnahme an den Versammlungen, mit den dortigen Gelehrten. Da er auf alle möglichen — auch die schwierigsten — Fragen der weisen Kalyāṇamitras klug und klar zu antworten verstand, verbreiteten sich Ruhm und Lob seiner Weisheit weithin.

Darauf wandte er sich nach gCaṅ³⁷. Eigentlich wollte er nach Sa-skya³⁸ gehen, ließ sich jedoch unterwegs von Klerikern aus J̌o-gdan³⁹ überreden, nach rGyaṅ-mkhar-phu in Rin-spuṅs⁴⁰ zu ziehen; von dort ging er über Ñaṅ-stod⁴¹ zum Kloster Ža-lu⁴², wo er mit dem Übersetzer und Abt Rin-čhen-rnam-rgyal, der den Thron Bu-stons innehatte, zusammentraf⁴³. Initiation des Cakrasaṃvara und der 13 Buddhas nach der Tradition des Mi-tri-pa⁴⁴.

3. Abschnitt: Studium in Zentraltibet

Darauf zog er über sNar-thaṅ⁴⁵ zum großen Kloster Sa-skya⁴⁶; zwischendurch studierte er bei Maṭi paṅ-čhen in Sa-bzaṅ⁴⁷. Von Sa-skya zog er nach La-stod-byaṅ und studierte in den Klöstern ’Dar-bzaṅ-ldan, Ṅam-reṅ und ’Ga’-roṅ, während seine Weisheit immer berühmter wurde⁴⁸.

(Einschub über die Notwendigkeit, Studienreisen zu unternehmen).

Im Kloster J̌o-mo-naṅ⁴⁹ studierte er bei Phyogs-las-rnam-rgyal⁵⁰ Kālacakra⁵¹. Dann begab er sich nach Bo-doṅ⁵², machte in sPyi-po-lhas⁵³ halt und studierte bei dem dortigen Abt bKa’-gdams-glegs-bam⁵⁴ und Bodhimārga⁵⁵. Darauf gelangte er zu der Geistlichen Akademie E⁵⁶ und zum Kloster sNar-thaṅ, wo er den Prajñapāramitā-Kommentar des ’Jam-skya⁵⁷ studierte. Da darin viele Zitate aus dem Abhidharmakoṣa⁵⁸ vorkamen, kam ihm der Wunsch, auch diesen zu studieren. Schwierige Stellen studierte er bei dem Übersetzer Don-bzaṅ-pa⁵⁹ unter Zuhilfenahme des von bSam-bzaṅ⁶⁰ verfaßten Kommentars.

2. Kapitel
Studium bei Red-mda’-pa

1. Abschnitt: Abhidharmastudien

Als er bei einem Kalyāṇamitra in sNar-thaṅ den von Ña-dpon-kun-dga’-dpal⁶¹ verfaßten Prajñāpāramitā-Kommentar sah, wollte er bei diesem studieren. Er zog zunächst nach gNas-rñiṅ⁶², wo er sich nur kurz aufhielt, dann — im Sommer — nach rCe-čhen⁶³; hier studierte er bei Ña-dpon-kun-rgyal dessen Wissen ihn begeisterte, Prajñāpāramitā. Er äußerte auch den Wunsch, Abhidharmakoṣa zu studieren, doch Ña-dpon verwies ihn an seinen Schüler Red-mda’-pa⁶⁴, u.a. wegen seines etwas angegriffenen Gesundheitszustandes. Mit Red-mda’-pa war Tsongkhapa schon von früher her gut bekannt; in diesem Sommer nun kam Red-mda’-pa von Sa-skya nach rCe-čhen und lehrte den Abhidharmakoṣa mitsamt dem Eigenkommentar.

Erklärung: Der Abhidharmakoṣa ist eine Zusammenfassung⁶⁵ des Abhidharmapiṭaka und verfaßt von dem indischen Gelehrten Vasubandhu. Der Eigenkommentar ist der vom Verfasser selbst dazu geschriebene Kommentar.

Unterweisung durch Red-mda’-pa: Bloße Wort-für-Wort-Erklärung genügt nicht; gründliches Analysieren unter Behebung aufkommender Zweifel ist vonnöten.

Zitat aus der Großen Vita: Das seit unzähligen Zeitaltern bestehende freundschaftliche Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Tsongkhapa und Red-mda’-pa⁶⁶.

Seine »Methodik des Unterrichts« bestand im »Aufzeigen des Sinnes der betreffenden Schriftstellen« und in »Metaphysik-Streitgesprächen«⁶⁷ (mchan ñid). Wenn der Lehrer zu lehren vermag und der Schüler zu hören vermag, dann verstehen sie — was sie auch behandeln mögen — den Sinn der Schriftstelle.

Im Herbst zogen beide, Lehrer und Schüler, zum Studienurlaub zum Kloster bSam-gliṅ in Ñaṅ-stod⁶⁸. »Studienurlaub« (M nom-un ǰabsarỉal, T čhos bar) bedeutet, daß kein Unterricht und keine Versammlungen gehalten werden, sondern man seine privaten Dinge (M öber-ün ali kereglegsen T raṅ-gi-gaṅ-'dod) erledigt.

2. Abschnitt: Madhyamakastudien

In dieser Zeit hörte er bei Red-mda’-pa den Madhyamakāvatāra⁶⁹. Das Madhyamakasystem handelt von der Lehre, der Erlösung aus dem Samsara und der Erlangung der Buddhawürde; obwohl es ein wichtiges und hervorragendes System ist, gab es in Tibet nur sehr wenig Lehrer und Schüler, die sich damit beschäftigten, da es sehr schwer zu verstehen ist. Red-mda’-pa war der erste, der sich wieder dem Madhyamaka widmete.

Zu dieser Zeit kam der Yogacārin und Übersetzer bZaṅ-čhub-rce-mo⁷⁰ nach dBus. Als er hörte, daß im Wintersemester im Potalapalast von sKyid-śod⁷¹ Abhidharmakoṣa gelesen werde, war er gegen Ende des Herbstes aus Ñaṅ-stod⁷² nach dBus gekommen und traf im Potalapalast mit dem Lama zusammen und bat ihn, den Abhidharmakoṣa zu lehren. Der Lama erwiderte, obwohl er selbst sehr gern lehren wolle, erlaubte es »sein vorgeschrittenes Alter« nicht. Da ihn überdies der Gouverneur von rJiṅ-phyi⁷³ gebeten hatte, sofort nach dBus zu kommen, blieb keine Zeit zum Unterrichten. — Jener Übersetzer verehrte auf dem Rückweg im Kloster Čhos-rjoṅ⁷⁴ das Bild des »Čhos-rǰe-Lama«, das vielleicht mit Bu-ston identisch ist!⁷⁵ — In diesem Wintersemester⁷⁶ weilte er in E.

3. Kapitel
Weitere Studien

1. Abschnitt: Vinayastudien

A

ls er in seinem 20. Lebensjahr hörte, daß der Abt von sKyor-mo-luṅ⁷⁷, der dKa’-bži’-⁷⁸pa Blo-gsal-pa⁷⁹, ein Fachmann für Vinaya und Abhidharmakoṣa war, begab er sich dorthin. Blo-gsal-pas Vinayalehre stammt aus der Tradition des dGe-bśes Thag-ma-pa und von dessen bestem Schüler sBal-tid Gra-bčom-pa⁸⁰; so studierte er bei ihm Yinayasūtra samt Kommentar; aus dem umfangreichen Kommentar zum Yinayasūtra, Yinayasūtraṭīka, lernte er pro Tag einen bestimmten Abschnitt auswendig.

Eines Tages verweilte Tsongkhapa nach Beendigung der offiziellen Versammlung noch allein in Meditation in der Versammlungshalle. Da kam ein dGe-bskos-Lama, faßte ihn am Gewand und fragte, wieso er noch allein da sitze. Durch die heftige Bewegung seines Körpers krümmte sich unter Getöse⁸¹ die Säule, an die Tsongkhapa sich angelehnt hatte. Der dGe-bskos-Lama war sehr bestürzt. Diese Säule in sKyor-mo-luṅ heißt noch heute »Säule der Ekstase«⁸².

Von den neun Ekstasezuständen⁸³ (M diyan-dur sedkil-un orusil, T tiṅ-ṅe-’jin la sems gnas) des »Verharrens in der Vorstellung«⁸⁴ ist dieses der achte.

2. Abschnitt: Erkrankung

Als er bereits über 40 Kapitel des eben erwähnten großen Kommentars gelernt hatte, befiel ihn eine schlimme Krankheit, sozusagen ein »Hindernis für die Religion«. Da sie nicht besser wurde, ging er nach sTod-luṅ⁸⁵ zu einem Eremiten, studierte Upadeśas und meditierte, doch es kam keine Heilung. Da ging er wieder nach bDe-ba-čan; dort beratschlagten 17, 18 Ärzte, vermochten aber weder eine richtige Medizin zu verordnen noch eine Diagnose zu stellen. Da legte Tsong-khapa selbst den Ärzten sein Wissen über Medizin dar, und nach seinen Angaben beschafften die Ärzte die entsprechende Medizin, wodurch die Krankheit sich etwas besserte. Voll Verwunderung anerkannten die Ärzte die Überlegenheit dieses »Čhos-rǰe-Lama« Tsongkhapa⁸⁶.

Im Winter zog er mit einigen Jüngern nach gCaṅ⁸⁷. Er hatte vor, nach Sa-skya zu gehen, doch das war zu weit. So zogen sie über Ñur-smrig-phu⁸⁸ nach gNas-rñiṅ und verbrachten dort den Winter. Auf Bitten dortiger Kleriker und Schüler unterwies er sie im Abhidharmakoṣa Dies bedeutete den Anfang seiner öffentlichen Lehrtätigkeit.

Im 21. Lebensjahr, im Frühling, zog er über SNar-thaṅ⁸⁹ nach Sa-skya. Dort blieb er 11 Monate bei Red-mda’-pa und studierte Abhidharmasammuccaya; ferner studierte er hier Pramāṇavārttika, Madhyamakāvatārā⁹⁰ und Vinaya.

Bei Lama rDo-ǰre Rin-čhen⁹¹ hörte er die beiden Tantrarichtungen⁹² nach der Sa-skya-Überlieferung.

Auf Veranlassung von Red-mda’-pa empfing Tsonkhapa von einem alten dGe-bśes des Bla-braṅ⁹³ östlich von bDe-ba-čan⁹⁴ Upadeśas; wie Red-mda’-pa⁹⁵ vorausgesagt hatte, trug das zur Heilung seiner Krankheit bei. Unter den Upadeśas war vor allem auch das »Rezitieren des neutralen Buchstabens ha⁹⁶«.

Dieses Upadeśa hat folgenden Inhalt: Der kranke Körper wird mit Wasser gewaschen und dann als Schutzgottheit vorgestellt. Schließlich denkt man sich diese als einen weißen Buchstaben ha vor sich. Dann werden alle Krankheiten des Körpers im Herzen in einem schwarzen ha zusammengefasst. Alle Winde des Körpers werden dann gedanklich mit ausgestreckten Armen im Herzen, und zwar von außen um das ha herum, konzentriert. Dann hält man eine Zeitlang den Atem an, und wenn man nun den Buchstaben ha ausspricht, tritt das ha, das im Herzen war, zusammen mit dem Atem heraus und geht in das ha, das man vor sich hat, ein. Wenn man diese Kontemplation vielmals vollzieht, so ist es für die Gesundung sehr heilsam.⁹⁷

3. Abschnitt: Fortführung des Studiums

In Sa-skya verfaßte er dann das Werk Legs-bśad-rgya-mcho, das eine Darlegung des Vijñaptimātrasystems⁹⁸ enthält.

(T Einschub: Es ist allerdings noch zu prüfen, ob er dieses Werk nicht vielleicht erst später geschrieben hat.).

Im Herbst erreichten ihn Briefe aus der Heimat, darunter ein Brief seiner Mutter; sie schrieb, daß sie schon alt geworden und die Zeit der Trennung bereits lange sei. Sie wünschte, ihn wiederzusehen. Dem Brief hatte sie einige ihrer weißen Haare beigefügt. Das bewegte Tsongkhaoa so, daß er den Entschluß faßte, nach A-mdo zu gehen. Er zog nach Mal-gro Lha-luṅ⁹⁹, doch kam ihm bald die Erkenntnis, daß eine Reise in seine Heimat unnütz und ohne Heil sei. So schickte er seiner Mutter lediglich ein Bild von sich.

Zitat aus der Großen Vita¹⁰⁰. Über das wunderbare Phänomen des wohlriechenden Harzes am grossen Sandelholzbaum.

Erklärung des tibet. Ausdrucks ga-bur.

Im Mal-gro Lha-luṅ Studium bei bSod-nams-grags-pa¹⁰¹; Meditation. Analyse des Kommentars zum (Pramāṇa-)Vārttika, Nyāyakoṣa, insbes. Kapitel 2 über den »Erlösungsweg«¹⁰². Dharmakīrti verehrte er vor allem als den heilsnotwendigen Führer aus dem Saṃsāra. Als er — im Herbst desselben Jahres — daselbst einmal das (Pramāṇa-)Vārttika nur kurz anblickte, sträubten sich ihm die Haare und Tränen traten ihm in die Augen. Im Winter verfaßte er — immer noch in bDe-ba-čan — auf Bitten vieler Studenten sein Werk Blo-gsal bgrod-pa’i-them-skas »Führer für den Aufstieg der Verständigen«¹⁰³. Zitat des Schlußspruches des Werkes.

In seinem 23. Lebensjahr, zu Beginn des Frühlings, zog er aus dem Wunsche, wieder eine Studienreise zu unternehmen, nach gCaṅ, und zwar zum Kloster sNar-thaṅ¹⁰⁴, und studierte dort bei dem Übersetzer Don-bzaṅ dessen Kommentar zum Pramāṇavārttika, obschon er es aufgrund seines Wissens nicht nötig gehabt hätte. Während des Sommersemesters studierte er in sNar-thaṅ Pramāṇavārttika, den Höheren und den Niederen Abhidharma¹⁰⁵ und das Vinayamūlasūtra¹⁰⁶, d.h. die vier »schwierigen« Werke. Als im Herbst Red-mda’-pa sich auch nach Bo-doṅ begab, zog der Heilige zum Kloster E¹⁰⁷, wo er bei dem Übersetzer Nam-mkha-bzaṅ-po¹⁰⁸ Sprachwissenschaften, wie Kavyādarśa, Candra und Kalāpa, studierte¹⁰⁹. Bei Red-mda’-pa wollte er Madhyamaka, Logik und Abhidharma, bei anderen Lehrern außerdem noch Prajñapāramitā und Vinaya hören. Doch hörte er bei Red-mda’-pa nur den Madhyamakāvatāra, die übrigen Madhyamaka-Werke, wie Nāgārjunas Grundwerk¹¹⁰, hörte er bei dem Abt von sNar-thaṅ, Kun-dga’-rgyal-mchan¹¹¹. Dieser Abt hatte in seinem Heimatkloster Zur-čhen¹¹² von dem dortigen Oberen Prophezeiungen empfangen; in früherer Zeit hatte diesen Thron von Zur-čhen ein hoher Madhyamakakenner innegehabt. Jene Prophezeiungen hörte der Heilige, ferner auch Prophezeiungen bei Lama ’J̌am-rin-pa von bDe-ba-čan¹¹³, der sie hinwiederum vom Čhos-rǰe-Lama empfangen hatte. Red-mda’-pa hatte seine das Madhyamaka betreffenden Prophezeiungen von dem Oberen des Klosters Braṅ-mo-čhe¹¹⁴, Čhos-kyi bśes-gñen¹¹⁵ empfangen, der sie seinerseits von Śes-rab-seṅ-ge von sNar-thaṅ¹¹⁶ hatte. Obwohl die Lehren des Madhyamakasystems zum Wertvollsten der Verkündigung des Buddha gehören, war dessen Studium zur Zeit des Heiligen ganz zum Erliegen gekommen. Er hat das Madhyamaka wieder als das Wertvolle erkannt, und seitdem hat es sich wieder allgemein verbreitet.

WEITER AB IMG-1494

▶ WORK IN PROGRESS … TO BE CONTINUED ◀

→ 2019 ist Je Tsonkhapas 600. Todestag. Wir hoffen, die Online-Version dieser Hagiografie im selben Jahr fertig zu stellen. Letzte Änderung: 01.01.19